Dienstag, 27. April 2010

Pumamarca nach Susques


Am Abend in Pumamarca traf ich noch zwei Franzosen, die ich bereits aus Salta kannte. Sie hatten am gleichen Tag wie ich Salta verlassen und sind von da aus mit dem Bus in zwei kleinere Städte in der Umgebung zu gefahren. Am nächsten morgen traf ich sie erneut. Wartend auf ihren Bus nach San Pedro.
Für mich begann nun der tatsächlich aufregende Teil der Tour. Bis zum ersten Pass lagen ziemlich genau 2.000 Höhenmeter vor mir. Mit 12 Litern Wasser und ein paar Kilo Proviant war mein Fahrrad noch ein Stück schwerer als üblich. Das Minimalziel für den ersten Tag waren 1.200 Meter in der Höhe zu schaffen. Im Gegensatz zu allen vorherigen Strecken ignorierte ich an diesem Tag die Tageskilometer anzeigen vollkommen. Stattdessen pendelten meine Augen zwischen der schleppend ansteigende Höhenanzeige des GPS und der umgebenden Landschaft. Ich kam erstaunlich gut voran und korrigierte mein Ziel immer weiter nach oben. Bis ich schließlich so tollkühn war zu hoffen es in einem Tag bis oben zu schaffen.

Ab etwa 3.000m Höhe begann ich leichte Kopfschmerzen zu bekommen. Ich interpretierte das als erstes Anzeichen der Höhenkrankheit, von der ich schon einige üble Geschichten gehört hatte. In Purmamarca habe ich mich vorsoglich mit dem lokalen Wundermittel dagegen eingedeckt: Kokoblätter. Was erstmal nach Droge klingt, ist letztendlich nichts anderes als ein besseres Kaugummi. Es hilft gegen Hunger, Kälte, Müdigkeit und eben die Höhenkrankheit. (Und macht laut Wikipedia in keinster Weise süchtig). Die Backen mit Blättern vollgestopft ging es weiter. Gegen 13 Uhr setzte dann der erste Wind ein, bis dahin aber noch so schwach, dass ich nicht an meinen höher gesteckten Zielen zu Zweifeln begann. Die Stärke des Windes nahm konstant zu und nach einer Weile korrigierte ich meine Ziele wieder nach unten. Gegen 15 Uhr war der Wind dann so stark, dass ich es als zu Gefährlich empfand weiter zu fahren. Einzelne Böen waren durchaus in der Lage mich fast von der Straße zu wehen, was auf einer Passstraße wie dieser nicht zu unterschätzen war. Ich versuchte ein schattiges Plätzchen für eine Mittagspause zu finden. Zunächst begnügte ich mich mit einer Felsspalte, die ich aber schon etwa 10 Minuten später als zu ungemütlich empfand und wieder verließ. Letztlich endete ich zwischen ein paar Büschen die mir wenigstens etwas Schutz vor der Sonne und dem Wind boten.
Mittagspause zwischen den Büschen

Einige Zeit später gab ich es dann auf, auf ein abflachen des Windes zu warten und fuhr weiter. Allerdings stets mit einem gewissen Sicherheitsabstand zum Fahrbahnrand. Anstatt sanfter wurde der Wind nach und nach stärker. Zweimal stürzte ich, weil ich von überraschenden, starken Böen umgeworfen wurde. Das Fahren bestand aus einem stetigen Anhalten und abwarten, bis die momentane Böe abgeflacht war. Die stärksten Böen waren so heftig, dass ich vom Fahrrad absteigen und mich an der Leitplanke festhalten musste, da selbst normales Stehen unmöglich war. Gegen 18 Uhr beschloss ich dann einen Platz für mein Zelt zu finden. Kein leichtes Unterfangen, auf einer Straße, die auf einer Seite steil abfällt und auf der anderen steil aufsteigt. Ich kämpfte mich also noch weiter durch den Wind. Teilweise das Fahrrad schiebend, da fahren schlichtweg unmöglich war. Als ich gerade einen vermeintlichen Platz gefunden hatte, hielt ein Lastwagen und der Fahrer erklärte mir, dass nur einen Kilometer weiter ein Haus sei, in das ich mich einquartieren könnte. Zögernd beschloss ich den letzten Kilometer zu wagen. Auf dem Weg traf ich ein Österreiches Päärchen auf dem Fahrrad, die den Pass schon überwunden hatten. Zu meiner Beruhigung erklärten sie mir, dass der Wind – was ihre Erfahrungen betrifft – tatsächlich extrem sei. Ich fand schließlich das Haus, von dem der LKW-Fahrer gesprochen hatte. Allerdings war es praktisch unmöglich zu erreichen. Es war etwas abseits der Straße und auf dem Weg dorthin lag ein etwa drei Meter tiefer, steiler Graben. Allerdings gab es ganz in der Nähe einen perfekten Platz für mein Zelt. Nach 1.400 überwundenen Höhenmetern verbrachte ich eine kalte Nacht auf 3.700m Höhe.

Nach einer kalten Nacht ging es dann am nächsten Tag weiter. Die Annahme, am Morgen ohne Wind starten zu können, erwies sich als falsch. Zwar war es kein Vergleich zu dem Wind vom Vortag aber alles andere als Windstil. Ich quälte mich also langsam den Pass hinauf. Zwischendurch erinnerten mich immer wieder aufkommende Kopfschmerzen daran die Kokablattration in meiner Backe zu ersetzen. Die Temparaurunterschiede auf dem Weg waren extrem. Die dünne Luft war nicht in der Lage die Wärme zu speichern. Wodurch jede Wolke, die sich vor die Sonne schob, bittere Kälte verursachte. In windstillen Momenten brannte die Sonne dafür nur so. Auf ca. 3.900m wurde der Wind dann so eisig, dass ich meine Winterausrüstung anzog. Mit Handschuhen, Skimaske und Wollpulli ging es die letzten Höhenmeter hoch. Auf 4.192m hatte ich es dann geschafft. Der höchste Punkt des Passes und ebenfalls der höchste Punkt auf dem ich bis dahin je gewesen war.
Stolz, erschöpft und verfroren am Gipfel angekommen

Ich verdrängte den Gedanken an die beiden vor mir liegenden, höheren Pässen und ließ ein paar Tränen der Erleichterung zu. Danach wartete eine ebenso rasante wie kalte Abfahrt auf mich. In kürzester Zeit verlor ich die hart erarbeitenden Höhenmeter und war wieder auf etwa 3.400m, wo die „Salinas Grandes“ auf mich warteten. Ein großer Salzsee auf einer noch größeren Hochebene. Der Wind hatte inzwischen vollkommen ausgesetzt und ich genoss es mit verhältnismäßig hoher Geschwindigkeit, locker durch diese Landschaft zu radeln.
Zwischen den Bergen sieht man bereits die Salinas Grandes
Der Weg durch den Salzsee
 Salzabbauer beim Volleyballspielen
Alpakas kreuzen öfters die Straße
Stürmige Sandböen

Etwa in der Mitte des Salzsee ist eine Station der Arbeiter, die Salzabbauen. Dort hielt ich meine Mittagspause ab und füllte meine Wasserreserve etwas auf. Danach ging es weiter entlang der Hochebene. Der Wind setzte wieder ein und das lockere Radeln wurde wieder quälender. Zudem ließen sich die mittlerweile anhaltenden Kopfschmerzen nicht mehr mit Kokablättern bezwingen. Ich beschloss die geschätzten 5-10km der Hochebene noch zu überwinden, ein bisschen in die Berge reinzufahren und dann frühzeitig einen Platz für mein zelt zu suchen. Nach einer Weile stellte ich allerdings die Unmöglichkeit fest, auf dieser immer gleichen Hochebene die Entfernung zu schätzen. Nach 5km schätzte ich die Entfernung zu den Bergen immer noch auf 5-10km. Nach weiteren 5km immernoch. So zog sich das Spiel eine ganze Weile hin und ich radelte letzten Endes noch 40km auf der Hochebene bis ich dann mit der untergehenden Sonne, am Fuße der nächsten Berge, im Windschatten eines dornigen Busches mein Zelt aufschlug.

Der dritte Tag auf der Etappe bis Susques war vergleichsweise eine Wohltat. Zwar wurde ich vom „Paso Mal“ überrascht der mich wider erwarten erneut auf etwa 3.880m hochführte und auch der Wind verschonte mich nicht vollkommen. 

Unterwegs traf ich drei Arbeiter. Um der Sonnenstrahlung zu entgehen, waren sie in dicke Pullover, Handschuhe und Skimasken gehüllt. Und das bei absoluter Hitze. Ihre Aufgabe war es das Flussbett (von dem Fluss, der derzeit kein Wasser hat) zu erweitern, damit die Straße nicht überflutet wird. Dabei verwendeten sie primitivstes Werkzeug. Mit Brecheisen und Spitzhacke bearbeiteten sie den massiven Fels. Sie hatten weder Strom noch Benzin zur Verfügung. Bei dem Gedanken daran, was diese Männer täglich leisten, komme ich mir beinahe lächerlich vor, wenn ich von den Strapazen einer mehrtägigen Fahrradtour berichte. Hochachtungsvoll ließ ich die Arbeiter hinter mir und ging den Tag weiter ganz entspannt an, um schließlich wohlbehalten in Susques anzukommen. 
Anfahrt auf Susques
 
Hier werde ich eventuell einen Tag Pause einlegen (allerdings gibt es hier absolut nichts, was man an diesem Tag machen könnte). Um dann meine nächste Etappe zu starten. Der nächste Ort mit Internet ist dann entweder San Pedro de Atacama oder irgendwo in Bolivien, je nachdem für welche Strecke ich mich letztlich entscheide.

1 Kommentar:

  1. Krass, Alter, krass! :)

    Geniale Fotos, habe mir die Strecke grade mal bei Google-Maps angeschaut. Der Hammer.

    Gute Erholung und Weiterfahrt!

    Gruß,
    Benjamin

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