Dienstag, 18. Mai 2010

Nette Leute, nette Landschaft, nette Radtour

Nach der Anstrengung über den Paso Jama ruhte ich mich einige Tage in San Pedro aus. Ging Sandboarden und genoss das schöne Wetter. Außerdem lernte ich Christian und Falko kennen. Zwei andere Radler, die vorhatten nach Uyuni zu fahren. Die Tour die ich ursprünglich auch geplant hatte, aber wegen der Erfahrung mit der Höhe doch abgeblasen hatte. Falko gab mir allerdings den Tipp, dass ich mit dem Jeep das erste Stück und damit die höchsten Berge überspringen könne und ab da weiterfahren. Klang gut und ich sammelte entsprechende Informationen. Falko selbst kehrte nach dem Aufstieg zur bolivianischen Grenze auch wieder zurück nach San Pedro. Auch er hatte Probleme mit der Höhe bekommen und beschloss sich mir anzuschließen.
Im Jeep ging es zur Laguna Colorado. Anstatt der versprochenen Tour mit Sightseeing, Frühstück und Mittagessen, gab es allerdings nichts anderes als einen Transport zur Laguna Colorado. Die Lagune selbst liegt auf etwa 4.300m Höhe (so langsam beginne ich mich an diese Höhen zu gewöhnen). Es wimmelt von Flamingos und anderen Wasservögeln, die sich von relativ nah betrachten lassen.
Flamingos an der Laguna Colorado

Hier warteten Falko und ich auf die Ankunft von Christian, der uns gegen Abend erreichte. Am morgen ging es dann los. Die Lagunenroute ist für zweierlei Dinge bekannt. Die schöne Landschaft und die schlechte Piste. Was mich hier die nächsten Tage erwartet war was Sand und Steine betrifft sicherlich das Übelste, was mir bisher begegnet war. Trotzdem machte mir die Fahrt großen Spaß. Die Piste war häufig uneben wie Wellblech und/oder wüstenartig versandet. Überall durchzogen Jeepspuren die Landschaft. Eine wirkliche Straße war häufig nicht zu erkennen. Teilweise verliefen Spuren über mehrere hundert Meter Breite parallel zueinander und man verbrachte viel Zeit und Kraft damit in den etlichen Spuren den vermeintlich besten Weg zu finden. Eine ständige Suche nach einem halbwegs ebenen und festen Weg. In der Regel blieben aber nur Kompromisse oder ein geholper das Mensch und Material ordentlich durchschüttelt. Am ersten Tag ging es einen flachen Aufstieg herauf. Mir war nicht klar gewesen, dass es doch nochmal auf etwa 4.660m hochging. Allerdings hielten sich dieses Mal die Kopfschmerzen in Grenzen. Nachdem wir uns die letzten 2 Stunden durch extrem sandige Pisten gequält hatten übernachteten wir relativ kurz vor dem höchsten Punkt in einem Hotel auf 4.500m Höhe. Wie gewöhnlich auf dieser Höhe schliefen wir alle schlecht. Am nächsten Morgen ging es dann weiter. Über den Pass und langsam bergab. Der höchste und Punkt und damit die Stelle, vor der mir dann doch noch Bange war, war überwunden. Danach wurden wir mit einem der beiden Highlights dieser Route belohnt. Wir passierten etliche Lagunen, eine schöne als die andere. Erneut sahen wir Flamingos die sich an den salzigen Seen tümmelten und nutzten eine der śchönen Lagunen für unsere Mittagspause. Um es am nächsten Tag bis nach San Juan zu schaffen, passierten wir das nächste Hostal auf unserem Weg und campten einige Kilometer weiter. Zum Abendessen gab es wie immer Nudeln. Am nächsten Tag standen uns dann etwa 87km bis San Juan bevor. Eigentlich kaum vorstellbar, waren wir die letzten Tage doch wegen der schelchten Pisten immer nur etwa 50km vorangekommen. Doch mehrere Berichte im Internet sprachen davon diese Strecke in einem Tag geschafft zu haben. Also waren wir gespannt, was der Tag bringt. Die ersten 15km ging es eine extrem steinige und technisch anspruchsvolle Piste entlang. Hier brauchten wir bereits 2-3h Zeit, was das Ziel San Juan utopisch zu erscheinen ließ. Dann plötzlich sahen wir in ca. einem Kilometer Entfernung einen Bus passieren. Nachdem die ganze Zeit über die einzigen Fahrzeuge geländegängige Jeeps waren doch eine Überraschung. Wir erreichten eine Straße, die zwar bei weitem dem Begriff „Straße“ nicht gerecht wurde, aber nach den vergangenen Pisten eine wahre Wohltat.


Ein Hase mit Schwanz?


Das erste mal seit Tagen konnte ich vorne auf das größte Ritzel schalten. Nach einer Weile beschlossen Christian und Falko eine Mittagspause zu machen. Mir war es zu früh dafür und ich radelte alleine etwas weiter. Es folgte eine Abfahrt auf etwa 3.700m Höhe. Ich genoss die halbwegs befahrbare Piste bergab zu düsen. Nach einiger Zeit wunderte ich mich, dass die Militärstation „Chiguana“ wesentlich früher vor mir auftachte als erwartet. Als ich noch Näher kam wunderte ich mich noch mehr, dass die Militärstation tatsächlich ein halbverlassener Güterbahnhof und ein Grenzposten war. Ein kurzer Kontrollblick auf das GPS: knapp 25km bergab in die falsche Richtung. Ich fluchte. Befürchtete schon mich wieder bergauf auf zur Abzweigung, die ich verpasst hatte Quälen zu müssen. Ich unterhielt mich eine Weile mit den Grenzern und schließlich kam raus, dass es einen anderen Weg nach Chiguana gab. Entlang der Bahnlinie für ich auf einer harten Salzpiste bis zur Militärstation. Verwundert erfuhr ich dort, dass Christian und Falko noch nicht da waren (Die Militärstation war für uns ein wichtiger, eingeplanter Wasserversorgungspunkt). Ich ging davon aus, dass sie sich sicher waren San Juan noch am selben Tag zu erreichen und deswegen   ohne nach Wasser zu fragen durchgefahren waren. Da sie damit rechnen mussten, dass ich vor ihnen bin wollte ich nun gleichsam versuchen trotz des Umweges noch am selben Tag nach San Juan zu kommen. Ich hatte noch gut 30km guter Piste vor mir. Allerdings waren meine Beine müde von der langen zurückgelegten Strecke und in ca. 2h würde es dunkel und kalt werden. Ein Wettlauf gegen die Sonne begann. Ich düste flott über die Salzpiste. Allerdings war nach einiger Zeit klar, dass ich es in diesem Tempo nicht schaffen würde. Ich schaute immer wieder besorgt zu der sich langsam dem Horizont nähernden Sonne. Zwar war die Piste gut, jedoch zu unberechenbar, als das ich sie im Dunkeln hätte fahren wollen. Gegen 18 Uhr sollte angeblich der Wind auffrischen. Ich beschloss weiterzufahren und abzuwarten, was der Wind bringen würde. Würde er mich unterstützen oder sich als Gegner im Kampf gegen die Uhr herrausstellen? Es stimmte und um 18 Uhr bekam ich mit dem Rückenwind neuen Schub und neue Motivation. Während ich mit einem Auge den schönen Sonnenuntergang beobachtet schöpfte ich wieder Hoffnung San Juan im Hellen zu erreichen. Vor mir tauchte ein abgestellter Jeep auf. Als ich erkannte, dass er nicht einfach nur abgestellt war sondern in matschig-salzigen Boden feststeckte, fuhr ich auch schon in den Weichen Untergrund. Ruckartig wurde meine rasante Fahrt abgebremst und ich hatte Mühe nicht vom Rad zu fallen. Ich verlor kostbare Zeit das Rad schiebend die 300m durch den aufgeweichten Boden zu transportieren. Danach wurde die Piste wieder besser und ich war sicher San Juan noch erreichen zu können. Auf den letzten Kilometern wendete sich aber wieder das Blatt. Die Piste wurde erneut zu sandigem Wellblech. Der Kampf war verloren. Allerding war ich zu nah, um endgpltig aufzugeben. Im fast Dunklen fuhr ich im Schneckentempo weiter. Die Dunkelheit nahm mir die Möglichkeit eine gute Route über den holperigen Weg zu finden und ich wurde ordentlich durchgeschüttelt. Müde und erschöpft erreichte ich dan San Juan. Anstatt nach Christian und Falko Ausschau zu halten, kehrte ich im erstbesten Hostal ein, aß zu abend und schlief nach einer warmen Dusche ein. Am nächsten Tag hielt ich erfolglos Ausschau nach Christian und Falko. Schließlich kamen sie gegen Mittag mit den Rädern in San Juan an. Sie hatten die Militärstation nur wenige Minuten nach mir erreicht und beschlossen da zu übernachten. Sie wollten einen weiteren Tag Pause machen ich hingegen hatte schon einen Tag in San Juan gewartet und fuhr nach einer weiteren Nacht dort morgens alleine weiter. Es war windig aber die Straße war gut. Gegen 13 Uhr erreichte ich den Beginn des „Salar de Uyuni“. Der größte Salzsee der Welt und das eigentliche Ziel dieser Tour. Hier stand mir eine Entscheidung bevor. 13 Uhr war zu früh, um den Tag zu beenden. Jedoch müsste ich andernfalls die knapp 45km über den Salar bei heftigen Gegenwind radeln. Ich beschloss mich für letzteres. So ging es in den Salar. Ein einmaliges Landschaftserlebniss, was letztlich drei Tage andauern sollte begann. Der Salzsee ist vollkommen weiß und eben. Er erinnert an eine flache Schneelandschaft. Auch das Knirschen des Salzes unter den Rädern erinnert häufig an das knirschen von Schnee unter den Füßen. Hier gab es keine Straße mehr querfeldein über den harten Salzsee. Doch immer noch schneller als jede Schotterpiste, beinahe besser als Asphalt. Vor mir lag der Horizont in Wolken. Kein Ziel war erkennbar. Ich folgte dem Peilungspfeil auf dem GPS der mir versprach mich zu meinem Ziel, der Insel „Incahuasi“ auf dem Salar zu führen. Ich fuhr und fuhr, nichts veränderte sich. Das einzige was einem das Gefühl gab, dass man vorankam war die quälend langsam voranschreitende Kilometeranzeige auf dem GPS. Ein Blick zurück, erstaunen wie weit das andere „Ufer“ vom Salar bereits entfernt war. Es war wie beim Schwimmen, wenn man denkt nicht voranzukommen und dann zurück schaut und erstaunt festellt, wie weit man schon ist. Schließlich verschwamm auch das rückwärtige Ufer mit dem Horizont und ich hatte das Gefühl auf der Stelle zu fahren. Nichts kam näher nichts verschwand hinter einem. Die Sonne war hinter den Wolken nicht sichtbar und so schien auch keine Zeit zu vergehen. Allerdings wusste ich wie weit es war und gegen den Wind kam ich schlecht voran und ermüdete rasch. Als der Himmel sich dann rot zu färben begann beschloss ich gegen bessere Überzeugung auf dem Salar zu Zelten. Das stellte sich aber schnell als unmöglich herraus. Der Boden war zu hart um Heringe darin zu verankern und Steine, zur Fixierung der Plane, sind auf einem See schwer zu finden. Ich hatte also keine Wahl, musste es noch bis zur Insel schaffen. Da die Piste jedoch so eben war, beschloss ich zunächst den Sonnenuntergang zu genießen und dann im Dunkeln weiterzufahren. Der Sonnenuntergang bot mir ein farbenreiches Schauspiel. Neben den gewohnten Gelb-, Orange- und Rottönen mischten sich auch etliche andere Nuancen in das Himmelbild. Grün- und Violettöne zwischen den rötlichen und blauen Abschnitten des Himmels zeigten mir ein einmaliges Naturerlebnis. Spät kam ich schließlich bei der Insel an. Sah aus einiger Ferne zwei Zelte und aus dem Inneren der Insel leichten Lichtschein. Eine Gruppe von zwei Motorradfahrern und zwei weiteren Radlern hatte sich in einer gemütlichen Höhle eingefunden und kochten gemeinsam zu abend. Ich schloss mich ihnen an. Für mich gab es Nudeln, für sie Pommes. Sie hatten schon den halben Tag auf der Insel Schutz vor dem Wind gesucht und die Zeit genutzt Feuerholz zu suchen. Also gab es abends noch ein gemütliches Feuer mit dem üblichen Tratsch unter Reisenden. In der so aufgewärmten Höhle schlief ich ohne mein Zelt im Dunkeln noch aufbauen zu müssen. Ich wachte auf mit einem sagenhaften Blick auf den Salar. Aus meinem steinigen Domizil sah ich einige Kaninchenähnliche Nagetiere, die sich um die Essensreste des Vorabends stritten, den felsigen mit Kakteen bewachsenen Abstieg zum Salar und schließlich die unendliche Weite des Salzsees. Weiß soweit das Auge reichte. Allerdings auch am Himmel. Es war vollkommen bewölkt, die Sonne war nicht zu entdecken und an der wehenden Plane eines der Zelte sah ich, dass ein heftiger Wind wehte und einige Scheeflocken fielen vom Himmel. Ich besprach mich mit Ely und Francois und es war relativ klar, dass wir es bei dem Wind nicht in einem Tag die 70km bis an das andere „Ufer“ des Salars schaffen würden. Die beiden Motorradfahrer verabschiedeten sich nach einem gemeinsamen Kafee (bzw. heiße Kakau für mich). Wir anderen drei begannen uns in der Höhle häuslich einzurichten. Es war klar, dass wir einen Tag auf der Insel verbringen müssten. Allerdings waren wir uns einig darüber, dass es sicherlich einer der besten Plätze ist, an dem man wegen schlechten Wetters festhängen kann. Wir hatten ein kleines, gemütliches Zuhause mit einem exklusiven Ausblick auf eines der berühmtesten und beliebtesten Naturwunder Südamerikas. Wir verbrannten meterlange, abgestorbene Kakteen, um die Höhle warm und gemütlich zu halten, spielten Karten, kochten gemeinsam und tauschten Raderfahrungen aus. Für eine Zwangspause ein wunderbarer Tag. Schließlich schliefen wir zu dritt in der Höhle und wurden von den ersten Sonnenstrahlen geweckt. Das Bild am Himmel hatte sich komplett gewandelt. Der Himmel war strahelnd blau und aus den Schlafsäcken schaund bot sich uns ein schöner Sonnenaufgang. Der Wind war immernoch heftig, jedoch in die andere Richtung und sollte so an diesem Tag zu unserem besten Freund werden. Wir standen gemächlich auf, es gab erneut Kaffee bzw. Kakau und gegen 10 Uhr saßen wir dann auf den Rädern. Der Wind bließ uns von hinten über den Salar. Ohne zu treten erreichten wir Geschwindigkeiten von 20-30kmh. Das schöne Wetter, der Rückenwind und nicht zuletzt die aufregende Landschaft sorgten für gute Laune. Wir machten zahllose Bilder, alberten rum und spielten mit dem Wind. Ich hatte wohl noch nie soviel Spaß auf einem Fahrrad gehabt wie an diesem Tag. Stundenlang ließen wir uns über den Salzsee treiben, fuhren Schlangenlinien und versuchten ab und an zum Spaß gegen den Wind in die andere Richtung zu fahren – hoffnungslos. Am Ende das Salars müssten wir dann Wadentiefes Salzwasser durchqueren und sauten uns, unsere Fahrräder und unser ganzes Gepäck ordentlich mit Salz ein. Überall mit weißen Flecken oder Salzklumpen behaftet konnte uns das unserer guten Laune aber keinen Abruch tun und wir radelten auch noch die letzten 30km bis Uyuni. Ely war stolz mit insgesamt 100km ihren Tagesrekord geschafft zu haben. Francois war froh, dass sich das dreimonatige Warten auf die Trockenzeit, um den Salar bei Sonne erleben zu können gelohnt hat. Und ich hatte einen der schönsten Tage des bisherigen Urlaubes genossen. Gemeinsam ging es dann in die Pizzeria. Eine 40cm Pizza, ein Apfelkuchen, zwei große Bier und ein halber Liter Cola. Ich glaube mein Magen war noch nie so voll, doch es war ein guter Abschluss für diesen wunderbaren Tag.
Francois am Feuer
 
Blick aus unserer Höhle



Es gibt auch eine neue Version des Google-Earth-Tracks

Donnerstag, 6. Mai 2010

Von Susques durch die Hölle nach San Pedro


Während meines Pausetages in Susques lernte ich eine Gruppe aus drei schweizer Radlern kennen. Sie hatten die selbe Route wie ich über den Paso Jama geplant. Und machten ebenfalls einen Tag Pause in Susques. Am selben Tag entdeckte ich zwei gebrochene Speichen an meinem Rad, was mir die Option vom Paso Jama direkt weiter nach Bolivien zu fahren nahm. Allerdings hatten die Schweizer Ersatzspeichen parat und in dem Dorf gab es tatsächlich sowas wie eine Fahrradwerkstatt. Neue Hoffnung schöpfend brachte ich das Rad samt Speichen zur Fahrradwerkstatt und mir wurde zugesagt, dass es am nächsten Morgen um neun fertig sei. Aus neun wurde 12 und ich beschloss statt so spät noch zu starten am nächsten Tag gemeinsam mit den Schweizern aufzubrechen. Ich wurde dazu genötigt mir morgens einen Wecker zu stellen. Um 6:15 war aufstehen. Geplante Abfahrt dann zwischen 7:30 und 8:00 Uhr. Ein Platten am meinen Rad verzögerte das ganze, aber um kurz nach 8 waren wir schließlich unterwegs. Der Wind war uns an diesem Tag gut gesonnen. Teilweise hatten wir sogar etwas Rückenwind. Dafür regnete bzw. je nach aktueller Höhe hagelte es ein wenig. Insgesamt kamen wir gut voran. Probleme machte lediglich meine Gesundheit. Nach etwa 75km hatte ich so starke Kopfschmerzen und Schwindelgefühle (vermutlich bedingt durch die Höhe), dass der Tag für mich gegen 15:30 endete. So trennte sich also die Gruppe recht schnell wieder. Ich verkroch mich in mein Zelt und lauchte dem Hagel, der auf die Plane prasselte. Am nächsten Tag hatte sich die Landschaft dann verändert. Die Gipfel die am Nachmittag noch braun gewesen waren, waren nun von einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Ich war wieder fit und radelte flott der argentinischen Grenze entgegen. Am frühen Nachmittag erreichte ich die Grenze.
Frischer Schnee auf den Gipfeln
 Argentinische Grenze

Das Wetter schien perfekt für einen Fahrradtag. Es war leicht bewölkt und windstill. Doch die Zöllner teilten mir mit, dass der Pass wegen Schneefall gesperrt sei. Die drei Schweizer hatten Glück. Sie hatten die Grenze noch vor der Sperrung passiert. Alles diskutieren brachte nichts. Das größere Problem war für mich, dass meine Vorräte zur Neige gingen. Eigentlich hatte ich geplant an der Grenze meinen Proviant aufzufüllen. Doch es war 1. Mai und damit auch in Argentinien Feiertag. Ein Tag an der Grenze hieß also auch für einen Tag weniger Vorräte. Ich rechnte nochmal durch und kam zu dem Ergebnis, dass ich gerade genug für die geschätzten 2,5 Tage hatte, die ich noch brauchen würde. Im Laufe des Tages fing es immer mehr an zu Hageln und es wurde mit der Zeit bitterkalt. Die Nacht verbrachte ich im Rohbau einer Lehmhütte. Am nächsten Tag hörte ich dann bereits beim Aufwachen den Wind durch die Hütte pfeifen. Ich hatte also einen Tag mit vermeindlich gutem Wetter gegen einen windigen getauscht. Erneut an der Grenze angekommen hieß es wieder warten. Um 11 Uhr wurde die Grenze geöffnet. Ein paar weitere wichtige Stunde verloren im Kampf mit den schwindenden Vorräten. Als erster verließ ich die Grenze. Es war kalt und der Wind war schon um die Zeit recht stark und ich kam schlecht voran. 
Blick zurück auf die Grenze

Nach einigen Kilometern kam mir eine Gruppe Radfahrer entgegen. Ich war überrascht, als ich die drei Schweizer wiedererkannte. Sie berichteten von Schneesturm am Vortag und zu starken Winden am aktuellen Tag. So dass sie schließlich vor dem Wind kapitulierten und sich auf den Rückweg machten, um von der Grenze aus zu trempen. Die Berichte ließen mich an meinem Plan zweifeln den Rest der Strecke in 2,5 Tagen zu schaffen und mir kamen wieder meine geringen Vorräte in den Sinn. Aber zu motiviert, um so früh abzubrechen ging es weiter. Ich kämpfte gegen den mit jeder Minute und jedem Höhenmeter stärker werdenden Wind. Nach einer Weile stellte ich fest, dass mich lange kein Auto überholt hatte. Und ich spekulierte, dass die Grenze wieder geschlossen ist. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Erste kleine Schneeflocken peitschten mir entgegen. Scheinbar befand ich mich im oberen Bereich einer Schlechtwetterwolke. Wenn die Wolke gerade etwas aufstieg hatte ich einen heftigen Schneesturm, der meine Nase – dem einzigen freiliegenden Körperteil – mit Hagelkörner maltretierte. Im anderen Fall hatte ich strahlenden Sonnenschein, allerdings trotzdem enormen Wind. In den Übergängen gab es sogar die Kombination Schneesturm mit strahlendem Sonnenschein. Fingerspitzen und Zehen begannen immer mehr vor Kälte zu schmerzen und ich kämpfte mich unter diesen widrigen Bedingungen an diesem Tag in 6 Stunden anstrengender Fahrt ganze 25km weit. Beim abendlichen Zähnenputzen stellte ich dann fest, dass mein Trinkwasser teilweise gefroren war. Ich zeltete in einem trockenen Flussbett neben der Straße. Das Zelt beschwert mit Steinen, um den Winden zu trotzten, verharrte ich im Schlafsack.

Nach Sonnenuntergang war es draußen bitterkalt. Ich began an diesem Text zu schreiben, doch schon bald froren die Finger ein. So hatte ich keine Wahl als im warmen Schlafsack auf den Sonnenaufgang zu warten. Eine kalte, ungemütlich und lange Nacht. Als die ersten Sonnenstrahlen am Zelt kitzelten quälte ich mich langsam in einen kalten Morgen. Fast all mein Wasser war gefroren. Der kleine flüssige Rest an Wasser, den ich hatte, reichte gerade fürs Frühstück. Danach bat ich die Sonne ihren Job zu tun und mein Wasser sowie meine Zehen aufzutauen. Sie tat es, wenn auch langsamer als erhofft. So musste ich in den ersten Stunden mit weniger Wasser auskommen, als ich es gerne gehabt hätte. Schon am Morgen war es wieder windig und ich kämpfte mich erneut langsam gegen heftigen Wind voran. Eigentlich war das Ziel an diesem Tag den nächsten Pass zu überwinden. Aber schon gegen Mittag war klar, dass ich es nicht schaffen würde.

Letztlich musste ich beim Beginn des Anstiegs auf 4.600m Höhe mein Zelt aufschlagen. Eine weitere Nacht in extremer Höhe wartete auf mich. Diesmal nahm ich ein paar Liter Wasser mit in den Schlafsack, um sie vom Gefrieren abzuhalten. Erneut war es bitterkalt und jedes Körperteil, dass man aus den Schlafsack streckte, schien unmittelbar einzufrieren. Von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgan waren es über zwölf Stunden, die es zu überbrücken galt. Ungemütlich auf der harten, billigen Isomatte, umgeben von Dunkelheit und Kälte. Häufig wachte ich auf, warf einen Blick aus dem Schlafsack und hoffte, dass die Sonne endlich aufgegangen ist. Ich träumte von Palmen, Strand und Cocktails aus halbierten Kokosnüssen. Es war wohl eine der längsten und schlimmsten Nächte meines Lebens. Spätestens an diesem Punkt konnte ich keinen Grund mehr finden, warum ich mir das eigentlich antat. Seit der Abfahrt in Susques bestand die Tour aus stetig steigenden Qualen. Kopfschmerzen, Magenbeschwerden und Kälte waren die Dinge, die die letzten Tage geprägt haben. Ich schwor mir, dass ich mir so etwas nie wieder antun würde. Als dann endlichen die Sonne aufgegangen war begann ein neuer, harter Tag. Diesmal lag die Überwindung der letzten beiden Pässe vor mir. Bis zum ersten Pass waren es noch gut zweihundert Höhenmeter. Obwohl es früh am Morgen war und ich eigentlich erholt, stellten diese Höhenmeter schon eine Herausforderung da. Was auf tieferen Höhen kein Problem darstellte, erwies sich hier als sehr anstrengend. Die dünne Luft brachte einem keinerlei Erholung in den Pausen und so quälte ich mich langsam gen Gipfel. Knapp hundert Höhenmeter vor dem Ziel hörte ich ein Schnaufen hinter mir und war überrascht Florian, einen der Schweizer hinter mir zu sehen. Sie waren am vorigen Tag bis zu der Stelle getrempt, wo sie das letzte Mal umgekehrt waren. Und ohne voneinander zu wissen, campten wir nur ein paar Kilometer voneinander entfernt. Ein knappe halbe Stunde vor mir gestartet hatten sie dann diese Distanz überwunden und mich schließlich eingeholt. Gemeinsam erstürmten wir bei strahlendem Sonnenschein den Gipfel.
 Gemeinsames Gipfelfoto auf 4.839m Höhe

Der höchste Punkt, auf dem ich mich in meinem Leben befand und eventuell der höchste Punkt, den ich je mit eigener Kraft erreicht haben werde, bot erstaunlich wenig Aussicht. Die Landschaft war langweilig und man wurde wenig belohnt dafür, dass man sich hunderte von Kilometern zu diesem Punkt gequält hatte. Seit langem war das Wetter mal wieder wohlgesonnen und gemeinsam radelten wir dem letzten Pass und San Pedro entgegen. Nach der Mittagspause fingen die Kopfschmerzen und die Magenbeschwerden wieder an stärker zu werden. Alles Koka kauen half nicht. Auch der Wind setzte später wieder ein und so wurde der Tag doch noch zur Tortour.

Wir erreichten den nächsten und letzten Pass. Von hier waren es noch etwa zehn Kilometer bis eine rasante Abfahrt beginnen sollte. Diese zehn Kilometer wuchsen für mich zu Höllenqualen heran. Waren die Kopfschmerzen schon die ganze Zeit über angestiegen erreichten sie nun ungeante Ausmaße. Jede einzelne Pulsschlag schmerzte in meinem Kopf wie ein Hammerschlag. Jede Bodenunebenheit trieb mir die Tränen in die Augen. Einzig das Wissen, dass es nicht mehr weit ist und dass es danach bergab auf eine angenehme, schmerzfreie Höhe ging schien mich am Leben zu erhalten. Als schließlich die letzte Steigung überwinden war und klar, war das all das eine Ende hatte brach ich neben meinem Fahrrad zusammen. Ich weinte Tränen des Schmerzes aber auch Tränen der Erleichterung und der Freude. Zu den unmenschlichen Schmerzen in meinem Kopf gesellte sich vornehmlich das Gefühl der Erlösung, nur noch wenige Minuten und ich würde wieder dicke, sauerstoffreiche Luft atmen können. Aber auch Stolz und die Freude diese Herausforderung gemeistert zu haben erfüllte mich.
Das lang ersehnte Schild, Ende der Qualen und Beginn der Abfahrt

Dann ging es abwärts. Von etwa 4.500m auf 2.200m. Eine etwa 30km lange Abfahrt ohne viele Kurven. Ohne ein eínziges mal bremsen zu müssen stürtze ich mich den abhang hinab. Schreiend und jubelnd pulsierte das Adrenalin in meinen Venen. Mit gut 60kmh rauschte ich an einer Gruppe aus Radfahrern vorbei, die sich gerade nach oben gequält hatten. Mit über 70kmh näherte ich mich einem kleinem Schneefeld und zögerte kurz, doch ich hatte keine Wahl. Zum Bremsen oder Ausweichen war ich zu schnell und so ging es quer durch den Schnee. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von 88,3kmh kam ich unten mit der untergehenden Sonne an. Das Adrenalin tat seinen Job als Schmerzmittel und alle Kopfschmerzen waren weggeblasen. Aufgepuscht und glücklich beobachte ich die Sonne, wie sie langsam hinter den Bergen verschwand, um dann gemütlich die letzten Kilometer in der Dunkelheit nach San Pedro zu radeln.

Ich hatte es geschafft und ich wusste, dass ich so etwas nie wieder machen muss. Der Plan die komplette Lagunenroute und damit auf noch höhren Höhen zu radeln war verworfen. Und ich war froh in der Oasenstadt wieder der Zivilisation und einer Dusche zu begegnen.