Samstag, 26. April 2014

Zur Westküste und Richtung Süden


Von Hoopa aus ging es Richtung Westküste. Mit der Ankunft im pazifischen Regenwald, macht dieser auch seinem Namen alle Ehre. Der letzte Pass vor der Westküste erweist sich als wesentlich länger, steiler und vor allem verregneter als erwartet. Ca. drei Stunden geht es entlang steiler Serpentinen und durch kalten, windigen Regen nach oben. Doch die Aussicht war die Mühe wert. Zwar ist es neblig und ich kann nicht bis zum Meer schauen, aber dennoch bietet sich mir eine schöne Landschaft aus grünen Wiesen und farbigen Blumen. Auch eine große Herde von Elchen begegnet mir, die als sie mich erblicken sich galoppierend über davon machen und wie ein Strom erscheinen, der sich über die Hügel dahinschlängelt. Bis ich schließlich die Abfahrt erreiche hat es auch aufgehört zu regnen und so düse ich die letzten Kilometer zum Pazifik waghalsig durch enge Kurven hinab.

Die Ankunft an der Westküste nimmt mich emotional mehr mit, als ich es gedacht hätte. Es ist schwer das Gefühl des Stolzes, der Freude und auch der Erleichterung zu beschreiben, dass mich bei dem Gedanken einen ganzen Kontinent mit dem Fahrrad durchquert zu haben ergreift. Die kürzeste Strecke von Ost nach West sind etwa 4.000km. Ich habe dafür gut 6.000km auf dem Fahrrad sowie ein Stück Auto und ein Stück Zug gebraucht. Vor allem aber viel Schweiß, Willenskraft und Ausdauer. Ich habe auf der Strecke viel über mich gelernt, an mir gezweifelt und Erkenntnisse gewonnen. Habe Tiefpunkte überwunden, Höhen erfahren und Frieden gefunden. Vor allem aber habe ich unglaublich viele nette und hilfsbereite Menschen getroffen, die diesen Urlaub zu dem gemacht haben, was er ist. Mit diesen Hochgefühlen baue ich mein Zelt am Strand auf und beschließe am nächsten Morgen nach einer verhältnismäßig kurzen Strecke in Arcata haltzumachen.










Dort komme ich zunächst im „Farmhouse“ unter. Ein Gemeinschaftshaus mit großem Grundstück, das als Selbstversorgergarten genutzt wird. Offensichtlich bin ich genau am richtigen Tag angekommen. Am Abend findet auf dem Grundstück ein Konzert von zwei Bands statt und so kann ich nun meine Ankunft an der Westküste gebührend feiern. Am nächsten Tag geht die Feier weiter. Ich werde spontan zu einem Ausflug nach Oregon eingeladen und sage zu. Gemeinsam mit einer der Bands vom Vortag geht es ein paar Stunden nach Norden. Dort gibt es das nächste Konzert am Strand mit einer weiteren Band. Auch das gemeinsame Frühstück geht schließlich in ein kleines Hofkonzert über, zu dem sich immer mehr Passanten dazugesellen. Viel zu früh müssen wir schließlich wieder aufbrechen, um zurück nach Arcata zu fahren. Als ob ich nicht genug Programm gehabt hätte, gibt es am Abend noch ein großes, gemeinsames Osteressen. Nach all der Feierei fällt es mir schwer mich wieder auf mein Rad zu schwingen und so breche ich spät von Arcata auf. Nach ganzen 11km komme ich in Eureka an und beschließe den Tag dort zu beenden. Ich schlage mein Quartier im nächsten Gemeinschaftshaus auf. Hier komme ich bei Annie, ihrer Mutter und vier weiteren, netten Menschen unter. Im „Pumpkinhouse“ lerne ich einiges über die lokale Kultur von Humboldt und lese den Entwurf des Buches, das Annies Mutter gerade schreibt. Ich genieße die Gemeinschaft so sehr, dass ich auch hier schließlich zwei Nächste bleibe. Und wie der Zufall es will, wird mir schon wieder Musik geboten. Eine lokale Band probt in Annies Atelier.


Am nächsten Tag ist es endgültig Zeit für mich mal wieder voranzukommen. Nach langer Pause freue ich mich darauf endlich mal wieder ein Stück zu radeln. Nachdem ich einige sonnige Tage in Arcata und Eureka genossen habe, ist es nun mit der Sonne vorbei. Die nächsten Tage bestehen aus vielen Schauern, die nur immer mal wieder von der Sonne unterbrochen werden. Der Weg führt mich zunächst etwas ins Landesinnere, durch die „Avenue of the Giants“. Einer Straße durch die Redwoods entlang zahloser riesieger Redwoodbäume und schließlich zurück an die atemberaubend schöne Pazifikküste.








Mittwoch, 16. April 2014

Durch Wald und Schnee bis fast zur Westküste


Wir starten Richtung Ogden (bei Salt Lake City) am Abend. So können wir noch ein paar fantastsiche Blicke auf den Grand Canyon bei Sonnenuntergang und mit heranziehender Wetterfron genießen. Das Dämmerlicht und das Wetter lassen die Canyon in einer ganz besonderen Atmosphäre erscheinen. Spät kommen wir an einem schönen Campingplatz an, doch da wir alle hundemüde von der Wanderung sind, gibt es weder Lagerfeuer noch den zuvor extra gekauften Wein. Durch Abwechslungsreiche Landschaft geht es am nächsten Tag bis Odgen. Unterwegs lerne ich, dass sich das unansehnliche, trockene Wüstenkraut nicht nur zum Loswerden unangenehmer Gerüche von Schlafsäcken sondern auch zum Vertreiben negativer Energie und böser Geister verwenden lässt. Zumindestens erster Anwendungszweck erscheint mir als sinnvoll und ich nehme mir vor demnächst welches in meinen Schlafsack zu packen.



In Ogden nehmen mich Marilyn und Andy bei sich auf. Auch Ratna bleibt dort als Gast für ein paar Tage. So genieße ich die Zeit in angenehmer Gesellschaft mit Ausflügen zu nahgelegenen Naturschönheiten und zwei Mountainbiketouren, während mein Fahrrad im Laden auf endgültige Reparatur wartet. Nach drei Nächten in Ogden ist es für mich an der Zeit aufzubrechen. Zunächst mit dem Zug etwas in Richtung Westen nach Reno und von da mit dem Fahrrad weiter. Der Zug fährt abends spät los und so verschlafe ich den großen Teil der Reise. Doch als ich mir die Landschaft am Morgen so anschaue, bin ich froh, dass ich diesen Teil der andauernden Langeweile übersprungen habe. Noch in der desolaten Wüste verlasse ich den Zug. Doch recht schnell geht es in waldigere Gebiete. Ich beschließe einen Tag Umweg über Lake Tahoe zu machen. Der See erinnert an ein Alpenpanorama und ich fühle mich direkt wohl in dieser Landschaft. Bei der leicht verzweifelten Suche nach einem schönen Platz am See zum Campen, komme ich mit David ins Gespräch der mir schließlich anbietet bei ihm zu übernachten. Gemeinsam besuchen wir noch die beiden lokalen Kneipen und nach dem ungewohnten Bierkonsum schlafe ich am nächsten Morgen etwas länger.






 




Von dort geht es dann weiter Richtung Norden. Die Landschaft besteht nun aus schönen bewaldeten und mit Schnee bedeckten Bergen. Ich selbst fahre auch immer mal wieder an kleineren Schneefeldern und einigen Seen vorbei. Die Sonne scheint und es ist angenehm warm, am Nachmittag sogar etwas zu heiß. Durch diese Landschaft geht es zwei Tage, mit einer Übernachtung im Dorfpark und einer direkt am schöne Lake Almanor, wo mir nicht nur ein schöner Sonnenaufgang sondern auch etliche Moskitos beschert werden. Am nächsten Tag geht es zum Lassen Volcanic National Park. Beim Eintritt in den Nationalpark, wird mir erklärt, dass die Straße wegen Schnee gesperrt ist, ich es aber mit dem Fahrrad probieren  kann, ob ich durchkomme. So mache ich mich auf den Aufstieg die lange Passstraße hinauf. Kurz vor dem höchsten Punkt (2.600m) ist die Straße nicht mehr geräumt und es liegt massig Schnee. Nachdem ich mühevoll all die Höhenmeter hinter mich gebracht habe, beschließe ich aber nicht aufzugeben. Schließlich bin ich fast oben und danach geht es nur noch bergab. Also fange ich an mein Fahrrad in den Schnee zu schieben. Es geht extrem langsam und mühsam voran. Sowohl ich als auch das Fahrrad versinken regelmäßig im Schnee und meine Arme sind bald erschöpft vom Schieben. Immernoch nicht zum Aufgeben bereit, beschließe ich, dass ich meine Technik ändern muss. Ich packe mein Gepäck um, so dass zwei meiner Fahrradtaschen leer sind. Diese binde ich unter die Reifen. So gleitet das Fahrrad über den Schnee anstatt zu rollen. Es ist nicht unbedingt leicht das Fahrrad so zu transportieren, jedoch wesentlich effizienter als der Versuch es zu rollen. Mit dem Wunsch möglichst weit unterhalb des Gipfels zu schlafen, schiebe ich mein Fahrrad so noch ein paar Stunden in die Nacht hinein durch den Schnee. Für die Mühen werde ich mit einem wunderbaren Sonnenuntergang und einer schönen Vollmondnacht belohnt. Doch irgendwann muss ich Müdigkeit und Erschöpfung nachgeben und schlage mein Nachtlager im Schnee auf. Die Nacht ist bitterkalt und mir kommen Zweifel, ob das Ganze eine gute Idee war. Ich weiß nicht wirklich, wie weit es ist, bis ich einen schneefreien Bereich erreiche außerdem können sich die Schneebedingungen ändern und der Schnee weicher werden. So träume ich davon, wie ich ohne Essen, verloren durch den Schnee irre und schlafe äußerst schlecht und unruhig. Am Morgen halten die Zweifel an. Ich schaue mir die Strecke nochmal auf der Karte an und erwäge umzukehren. Beschließe jedoch, dass ich über den Punkt hinweg, der mir eine Umkehr erlaubt hätte. Zu meiner Erleichterung stelle ich allerdings fest, dass der Schnee über Nacht so fest gefroren ist, dass ich darauf fahren kann. Also breche ich möglichst schnell und ohne Frühstück auf, um der Sonne zuvorzukommen. Wesentlich leichter als befürchtet rolle ich so langsam auf dem Schneefeld den Berg runter. Und auch das Ende des Schnees kommt früher als gedacht und so bin ich erleichtert dieses Abenteuer überwunden zu haben. Der Rest des Tages ist leicht. Es geht runter bis auf 200 Höhenmeter währenddessen sich die Landschaft von Nadelwald zu saftigem Grün verändert. In Pablo Cendro frage ich bei einem Haus mit weitläufigen Gelände am Bach frage ich die Leute, ob ich dort campen darf. Nach längerem Zögern, gestatten sie es mir und zeigen mir ein paar schöne Plätze am Bach. Das Wasser hat eine angenehme Temperatur und so nutze ich die Gelegenheit mich und meine Wäsche zu waschen. Kurz darauf tauchen die drei wieder auf. Mit einer Matratze und Kalifornischem Wein. Das ganze artet zu einer kleinen Party mit großem Lagerfeuer am Bach aus. Dazu kommt, dass es in dieser Nacht eine Mondfinsternis gibt, die wir gemeinsam beobachten. Und während ich mir mit einem Glas edelstem, kalifornischem Wein die Mondfinsternis anschaue, erinnere ich mich daran, dass ich vor 24 Stunden noch gedacht habe ich würde zu dieser Zeit hilflos im Schnee verhungern. Die nächsten beiden Tage geht es weiter Richtung Westen, wo ich mittlerweile in Hoopa angekommen und nur noch einen Katzensprung von der Westküste entfernt bin.


















 
 

Dienstag, 8. April 2014

Grand Canyon

Die ersten Schneeflocken rieseln bereits in der Nacht auf meinen Schlafsack. Entsprechend kühl ist es, als ich mich am Morgen auf den Weg mache das letzte Stück zum Grand Canyon zu fahren. Motiviert von der Vorfreude störe ich mich aber weder an Kälte und Wind noch an Schnee. Ein Schotterpiste, die parallel zum Highway verläuft führt mich außerdem an offiziellen Eingang vorbei, so dass ich mir - ohne es wirklich zu merken - die Eintritt spare. Beflügelt komme ich dem In der Hoffnung, mitgenommen zu werden schlage ich mich querfeldein zum Highway durch und stelle mich mit meinem kaputten Fahrrad an die Straße und strecke meinen Daumen raus. Mit der Zeit drückt das Wetter doch auf die Stimmung und ich fluche über die herzlosen Touristen, die einen Radfahrer mit offensichtlich kaputten Rad im Schnee stehen lassen. Schließlich hält doch ein Auto an. Allerdings lässt mich das Blaulicht auf dem Dach daran zweifeln, dass er das aus Nächstenliebe tut. Nachdem sich der Polizist versichert habe, dass ich keine Waffen im Gepäck, klärt er mich freundlich auf, dass Trempen in Nationalparks verboten sei und so geht es zu Fuß in Richtung Grand Canyon. Beim örtlichen Fahrradverleih habe ich Glück und kriege ruck-zuck eine neue Kette eingebaut. Die springt zwar und ich brauche offensichtlich auch eine neue Kassette, für den Tag sollte es aber reichen. Gespannt was mich erwartet, mache ich mich im Schnee auf den Weg entlang der Kante des Canyons zu fahren. Es ist nicht sonderlich überraschend, dass ich außer einer grauen Wolke direkt neben mir nichts sehe. Dennoch fahre ich weiter, der Schnee weht mir kalt ins Gesicht und ich frage mich, warum ich das eigentlich tue. Schließlich klart der Himmel auf. Der Ausblick auf den Grand Canyon übertrifft alles was ich erwartet hätte. Ein Eindruck, den keine Bilder einfangen können. Ich weiß nicht, was das Faszienierende ist. Die schiere Größe, das Gefühl Teil etwas von unglaublich Altem zu sein, was über soviele Millionen von Jahren geschaffen wurde oder einfach die einzigartige Schönheit der verschiedenfarbigen Felschichten und wie diese miteinander zu spielen scheinen. Die noch dichte Wolkendecke über dem gegenüberliegenden Hang erweckt den Eindruck, dass hier die Welt endet. Und so fühle ich mich auch. Es fühlt sich an, als ob alles nur hierhin geführt hat und die ganze Reise, ja mein ganzes Leben nichts anderem gedient haben als zu diesem Punkt zu kommen. Hierhin wo alles endet. Und ich frage mich, was danach noch kommen soll. Es gibt keinen Grund mehr weiterzureisen. Mein ganzer weiter Weg hat mich nur hierhin geführt und jetzt bin ich angekommen. Ein Gefühl von innerem Frieden aber auch auch Verlorenheit. Ich bin komplett paralysiert,  sitze nur da und starre in die massive Schlucht, während mir die Tränen der Bewunderung und Gerührtheit kommen. Eine ganze Weile genieße ich den Anblick. Selbst als die Wolken und der Schnee zurückkehren bleibe ich dort sitzen und starre in die graue Suppe, der kalte Wind bläst mir ins Gesicht und die Schneeflocken sammeln sich in meinen Haaren. Erst die Kälte nötigt mich aufzustehen. Ich weiß nicht so recht wohin. Zurück zum Zeltplatz? Was essen oder trinken? Auf jeden Fall ins Warme.




 
Die Nacht und der nächsten morgen sind kalt. Allerdings ist der Tag schön und so wiederhole ich meine Radtour diesmal mit freiem Ausblick auf den schneebedeckten Canyon, der mich weiterhin begeistert. Für den darauffolgenden Tag habe ich eine Genehmigung, am Colorado im Grand Canyon zu campen. So bringe ich mein Fahrrad wieder zum Fahrradverleih, in der Hoffnung, dass es bei meiner Rückkehr vollständig repariert ist. Und begehe am nächsten Morgen mit Rucksack (den ich von Dan aus Flagstaff geschenkt bekommen habe) den Abstieg. Ich treffe ein nettes, kanadisches Pärchen und wir steigen gemeinsam ab. Der Weg nach unten führt einen nicht nur durch sich stetig veränderte Flora, auch hat man das Gefühl der Welt oberhalb des Canyons zu entfliehen und in der Zeit zurückzuwandern. Maultiere mit Cowboys kommen einem entgegen und je weiter man nach unten kommt, desto surrealer fühlt sich die Umgebung an. Der Weg selbst ist steil und geht auf Füße, Knie und Waden und so spüre ich meine Beine unten wesentlich intensiver, als nach all den Fahrradkilometern. Die beiden Kanadier, müssen am selben Tag wieder nach oben, da sie keine Genehmigung zum Campen bekommen haben. Und so mache ich mich alleine auf den Weg den Canyon noch etwas zu erkunden. Den Abend verbringe ich mit einer Gruppe aus ein paar Amis und einem Deutschen (mein erster Deutscher auf dieser Reise), bevor ich mich schließlich ins Zelt verkrieche. Als ich mich am nächsten Morgen auf den Aufstieg mache, fühle ich mich, wie der Klischee-Amerikaner, der Natur nur aus dem Fernseher kennt und sich vorgenommen hat in den Grand Canyon abzusteigen. Meine Füße sind übersäht mit Blasen und Ober- und Unterschenkelmuskulatur schmerzen bei jedem Schritt. So quäle ich mich langsam und mit kleinen Schritten den langen und steilen Weg wieder nach oben. Doch auch andere Wanderer haben es schwer und wir sprechen uns gegenseitig Mut zu. Mein sieht mir meine Schmerzen offensichtlich an und mehrere entgegenkommende Wanderer schauen mich mitleidig an oder versuchen mich zu motivieren. Oben angekommen wird der Erfolg mit einer Gruppe Leidensgenossen gefeiert. Ratna, Andy und Marylin treffen sich einmal im Jahr zum gemeinsamen Wandern. Diesmal war der Grand Canyon dran. Die drei bieten mir an mich nach Salt Lake City mitzunehmen, ich lehne jedoch dankend ab, da das eigentlich nicht mein Plan ist. Als ich jedoch mein Fahrrad abholen will, muss ich erfahren, dass es nach wie vor kaputt ist und der Verleih die entsprechenden Ersatzteile nicht in absehbarer Zeit bekommen kann. Ich muss also in eine größere Stadt. Glücklicherweise, hat mir Andy seine Telefonnummer dagelassen. Ich erreiche ihn und so brechen wir doch gemeinsam in Richtung Salt Lake City auf und ich blicke gespannt dem kurzen und unerwartetem Roadtrip entgegen.