Die ersten Schneeflocken rieseln bereits in der Nacht auf meinen Schlafsack. Entsprechend kühl ist es, als ich mich am Morgen auf den Weg mache das letzte Stück zum Grand Canyon zu fahren. Motiviert von der Vorfreude störe ich mich aber weder an Kälte und Wind noch an Schnee. Ein Schotterpiste, die parallel zum Highway verläuft führt mich außerdem an offiziellen Eingang vorbei, so dass ich mir - ohne es wirklich zu merken - die Eintritt spare. Beflügelt komme ich dem In der Hoffnung, mitgenommen zu werden schlage ich mich querfeldein zum Highway durch und stelle mich mit meinem kaputten Fahrrad an die Straße und strecke meinen Daumen raus. Mit der Zeit drückt das Wetter doch auf die Stimmung und ich fluche über die herzlosen Touristen, die einen Radfahrer mit offensichtlich kaputten Rad im Schnee stehen lassen. Schließlich hält doch ein Auto an. Allerdings lässt mich das Blaulicht auf dem Dach daran zweifeln, dass er das aus Nächstenliebe tut. Nachdem sich der Polizist versichert habe, dass ich keine Waffen im Gepäck, klärt er mich freundlich auf, dass Trempen in Nationalparks verboten sei und so geht es zu Fuß in Richtung Grand Canyon. Beim örtlichen Fahrradverleih habe ich Glück und kriege ruck-zuck eine neue Kette eingebaut. Die springt zwar und ich brauche offensichtlich auch eine neue Kassette, für den Tag sollte es aber reichen. Gespannt was mich erwartet, mache ich mich im Schnee auf den Weg entlang der Kante des Canyons zu fahren. Es ist nicht sonderlich überraschend, dass ich außer einer grauen Wolke direkt neben mir nichts sehe. Dennoch fahre ich weiter, der Schnee weht mir kalt ins Gesicht und ich frage mich, warum ich das eigentlich tue. Schließlich klart der Himmel auf. Der Ausblick auf den Grand Canyon übertrifft alles was ich erwartet hätte. Ein Eindruck, den keine Bilder einfangen können. Ich weiß nicht, was das Faszienierende ist. Die schiere Größe, das Gefühl Teil etwas von unglaublich Altem zu sein, was über soviele Millionen von Jahren geschaffen wurde oder einfach die einzigartige Schönheit der verschiedenfarbigen Felschichten und wie diese miteinander zu spielen scheinen. Die noch dichte Wolkendecke über dem gegenüberliegenden Hang erweckt den Eindruck, dass hier die Welt endet. Und so fühle ich mich auch. Es fühlt sich an, als ob alles nur hierhin geführt hat und die ganze Reise, ja mein ganzes Leben nichts anderem gedient haben als zu diesem Punkt zu kommen. Hierhin wo alles endet. Und ich frage mich, was danach noch kommen soll. Es gibt keinen Grund mehr weiterzureisen. Mein ganzer weiter Weg hat mich nur hierhin geführt und jetzt bin ich angekommen. Ein Gefühl von innerem Frieden aber auch auch Verlorenheit. Ich bin komplett paralysiert, sitze nur da und starre in die massive Schlucht, während mir die Tränen der Bewunderung und Gerührtheit kommen. Eine ganze Weile genieße ich den Anblick. Selbst als die Wolken und der Schnee zurückkehren bleibe ich dort sitzen und starre in die graue Suppe, der kalte Wind bläst mir ins Gesicht und die Schneeflocken sammeln sich in meinen Haaren. Erst die Kälte nötigt mich aufzustehen. Ich weiß nicht so recht wohin. Zurück zum Zeltplatz? Was essen oder trinken? Auf jeden Fall ins Warme.
Die Nacht und der nächsten morgen sind kalt. Allerdings ist der Tag schön und so wiederhole ich meine Radtour diesmal mit freiem Ausblick auf den schneebedeckten Canyon, der mich weiterhin begeistert. Für den darauffolgenden Tag habe ich eine Genehmigung, am Colorado im Grand Canyon zu campen. So bringe ich mein Fahrrad wieder zum Fahrradverleih, in der Hoffnung, dass es bei meiner Rückkehr vollständig repariert ist. Und begehe am nächsten Morgen mit Rucksack (den ich von Dan aus Flagstaff geschenkt bekommen habe) den Abstieg. Ich treffe ein nettes, kanadisches Pärchen und wir steigen gemeinsam ab. Der Weg nach unten führt einen nicht nur durch sich stetig veränderte Flora, auch hat man das Gefühl der Welt oberhalb des Canyons zu entfliehen und in der Zeit zurückzuwandern. Maultiere mit Cowboys kommen einem entgegen und je weiter man nach unten kommt, desto surrealer fühlt sich die Umgebung an. Der Weg selbst ist steil und geht auf Füße, Knie und Waden und so spüre ich meine Beine unten wesentlich intensiver, als nach all den Fahrradkilometern. Die beiden Kanadier, müssen am selben Tag wieder nach oben, da sie keine Genehmigung zum Campen bekommen haben. Und so mache ich mich alleine auf den Weg den Canyon noch etwas zu erkunden. Den Abend verbringe ich mit einer Gruppe aus ein paar Amis und einem Deutschen (mein erster Deutscher auf dieser Reise), bevor ich mich schließlich ins Zelt verkrieche. Als ich mich am nächsten Morgen auf den Aufstieg mache, fühle ich mich, wie der Klischee-Amerikaner, der Natur nur aus dem Fernseher kennt und sich vorgenommen hat in den Grand Canyon abzusteigen. Meine Füße sind übersäht mit Blasen und Ober- und Unterschenkelmuskulatur schmerzen bei jedem Schritt. So quäle ich mich langsam und mit kleinen Schritten den langen und steilen Weg wieder nach oben. Doch auch andere Wanderer haben es schwer und wir sprechen uns gegenseitig Mut zu. Mein sieht mir meine Schmerzen offensichtlich an und mehrere entgegenkommende Wanderer schauen mich mitleidig an oder versuchen mich zu motivieren. Oben angekommen wird der Erfolg mit einer Gruppe Leidensgenossen gefeiert. Ratna, Andy und Marylin treffen sich einmal im Jahr zum gemeinsamen Wandern. Diesmal war der Grand Canyon dran. Die drei bieten mir an mich nach Salt Lake City mitzunehmen, ich lehne jedoch dankend ab, da das eigentlich nicht mein Plan ist. Als ich jedoch mein Fahrrad abholen will, muss ich erfahren, dass es nach wie vor kaputt ist und der Verleih die entsprechenden Ersatzteile nicht in absehbarer Zeit bekommen kann. Ich muss also in eine größere Stadt. Glücklicherweise, hat mir Andy seine Telefonnummer dagelassen. Ich erreiche ihn und so brechen wir doch gemeinsam in Richtung Salt Lake City auf und ich blicke gespannt dem kurzen und unerwartetem Roadtrip entgegen.
Mal wieder ein wunderbares Erlebnis auf Deiner Reise! Bin allerdings froh, dass ich doch nicht nach Flagstaff gekommen bin ;)
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