Nach einem weiteren Tag in Marathon, geht es in Richtung Norden.
Und damit auch aus Texas und den Bergen heraus. Ich fahre über Alpine und das
schöne Fort Davis. All die Höhenmeter die ich mir in der letzten Zeit
erarbeitet habe kommen mir nun langsam entgegen. In zwei Tagen geht es stetig
bergab bis nach Pecos. Eine Stadt, die in vielen Westernfilmen eine Rolle
gespielt habe und auf die ich recht gespannt bin. Allerdings ist es eine
ziemliche Enttäuschung als ich da ankomme. Die Stadt ist im wesentlichen durch
die florierende Öl- und Gasindustrie geprägt und so auch der Verkehr um sie
herum. Etliche Laster transportieren das für das Wracking notwendige Wasser und
so herrscht starker, nerviger Verkehr. Mein Ziel sind die Carlsbad Caverns und
ich muss gegen starken Wind ankämpfen. Die Landschaft, wird mit der Zeit immer
langweiliger und der Verkehr nervt. Als ich ein Schild „Red Bluff Lake“ sehe,
das offensichtlich eine Sehenswürdigkeit ausweist, biege ich spontan ab um zu
dem See zu fahren. Eigentlich habe ich die Idee dort einen Mittagsschlaf zu
machen und am Abendn, wenn der Wind sich eventuell gedreht hat aufzubrechen und
ein paar Stunden im Mondlicht zu fahren. Allerdings gefällt es mir so gut, dass
ich entschließe die Nacht dort zu bleiben.
Am Morgen breche ich vom Lake Red Bluff auf. Es geht weiter
Richtung Norden und weiter gegen den Wind. Jedoch mit der Aussicht in einer
Weile links abzubiegen und dann den Wind von schräg-hinten statt schräg-vorne
zu bekommen. Nachdem ich mich schon ein paar Stunden gegen den Wind
vorangekämpft habe, gönne ich mir etwas ungesundes Essen an einem mobilen
Hot-Dog Stand. Dort komme ich mit dem „Koch“ ins Gespräch und kriege nicht nur
die Chance mein Wasser aufzufüllen sondern die wertvolle Information, dass ich
gerade an einer Abzweigung vorbei bin, die mich auf einer Schotterpiste direkt
zu den Carlsbad Caverns bringt. Sprich auch direkt aus dem Wind. Gerade zu
Anfang ist auf der Piste zwar noch viel LKW-Verkehr der jede Menge Staub
aufwirbelt das nimmt jedoch mit jedem Ölfeld, dass ich passiere ab. Bis ich
letztlich eine recht einsame, extrem schöne und technisch sehr spaßige Piste
entlangfahre. Ich genieße die Aussicht auf die vor mir liegenden Berge und die
habe Spaß daran mal nicht auf Asphalt zu fahren. Das Gerüttel der Schotterpiste
bringt die Inhalte meiner Lenkertasche durcheinander und so springt mir auch
mein Reisepass entgegen. Als ich ihn zurückstecken will blättere ich etwas
gedankenverloren durch die Seiten. Als meine Aufmerksamkeit auf den
Einreisestempel der USA gelenkt wird, ist der Spaß prompt vorbei! Dort steht „Class
Until 08th April 2014“. Ich kenne mich zwar mit den Ein- und
Ausreiseformalitäten nicht aus, doch auch mir ist klar, dass das nichts anderes
bedeuten kann, als dass ich am 08. April das Land verlassen soll! Das das
B-Visum, was für bis zu 6 Monate gültig ist, schien dem Herrn an der Grenze
egal gewesen zu sein. Da hatte ich mir doch gerade so einen schönen Plan
gemacht, all die Highlights sollten jetzt kommen und definitiv nicht in so
kurzer Zeit! Panik überkommt mich während ich weiter auf die wunderschönen
Berge zufahre. Doch was bleibt mir? Weiter geht es Richtung Carlsbad Caverns in
der Hoffnung da irgendwelche Information im Internet zu finden. Abends komme
ich in White’s City an und fange an zu recherchieren: Verlängerung der Aufenhaltsgenehmigung
kostet 290$ und muss 45 Tage vor Ablauf beantragt werden – blöd nur, dass ich
nur noch 4 Wochen habe. Zu spät. Ich beschließe am nächsten Tag irgendwie nach
El Paso zu kommen und dort am internationalen Flughafen zu versuchen etwas zu
regeln.
Wo ich schonmal hier bin, lasse ich mir die Höhlen dennoch
nicht entgehen. Morgens laufe ich durch die beeindruckenden großen Hallen
voller Tropfsteine und schaffe es auch teilweise die Gedanken um die
Visaprobleme zu verdrängen. Danach stelle ich mich an den Highway, um nach El
Paso zu trempen. Eine ganze Weile stehe ich dort erfolglos, bis jemand anhält
und mir anbietet mich in die andere Richtung, nach Carlsbad zu bringen. Dort
gibt es Busse nach El Paso. Ich denke an Daenerys aus „Game of Thrones“ (habe
die letzten zwei Bücher auf der Reise gelesen) „Um nach Norden zu gelangen,
müsst Ihr nach Süden ziehen. Um nach Westen zu kommen, geht nach Osten. Um
Vorwärts zu gelangen, geht rückwärts, und um das Licht zu berühren, müsst ihr
unter den Schatten hindurchziehen“ und nehme das Angebot an.
„Der nächste Bus fährt morgen um 13 Uhr“, muss ich mir in
Carlsbad sagen lassen. Also doch wieder trempen. Dieses mal geht es schnell.
Ein ca. 13-jähriges Mädchen spricht mich an, dass sie nach El Paso fahren. Ich
müsste aber auf der Ladefläche sitzen. Kein Problem, los geht es.
Interessanterweise stelle ich fest, dass in dem Auto - welches offensichtlich von einer Mutter mit
zwei Töchtern besetzt ist – der Beifahrersitz frei ist. Warum ich dennoch auf
die Ladefläche verbannt werde, bleibt nur zu spekulieren. Hat die Frau Angst
vor dem haarigen Typen, der in Richtung Grenze nach Mexico unterwegs ist und
will ihn nicht zu seinen Töchtern setzen? Ich könnte es ihr nicht verübeln und
bin beeindruckt, dass sie mich trotzdem mitnimmt und dafür dankbar. In El Paso
lasse ich mich am Flughafen absetzen und erkundige mich mit wem ich reden
könnte. Sie sagt am Flughafen gibt es keine Immigration Officiers (IO), ich
müsse zu Citizien and Immigration Services (CIS) oder an die Grenze. Ich fahre
zu CIS, das Büro ist aber schon geschlossen. Also zur Grenze. Die Leute sind
sehr hilfsbereit und sagen, es wäre kein Problem das Visum zu verlängern.
Allerdings bräuchten sie mein I-94 Formular, welches ich bei der Einreise bekommen
hätte. Häh? Nie davon gehört und ich bin mir sicher, dass ich nie eines
erhalten habe. Ohne das gibt es aber keine Hilfe an der Grenze. Da es schon
spät ist, suche ich mir ein Motel. Im Motel durchsuche ich mein komplettes
Gepäck – kein Formular. Die erste Online-Recherche ergibt: Ersatz kann
beantragt werden, kostet 330$ und ist zwingend erforderlich für die Ausreise.
Dann: Das ist bei Ankunft per Flugzeug mittlerweile elektronisch und kann
online abgerufen und ausgedruckt werden. Nur leider gibt mir die Seite zum
Abrufen des Formulars mit meinen Daten ein „Not Found“ aus. Wunderbar, in
diesem Fall bitte zu Custom and Border Protection (CBP), sagt die Hilfeseite
des CIS. Dort geht es am nächsten Tag also als allererstes hin. Beim CBP
erzähle ich meine Geschichte insgesamt dreimal, während ich zwischen durch
immer weiter gereicht werde. Sie stellen fest, dass der IO bei der Einreise
mich trotz Visa fälschlicherweise als Visa-Waiver klasifiziert hat, was nicht
nur das Datum sondern auch meine ganze Akte in ihrem System durcheinander
gebracht hat. Das Problem müsse der CIS beheben, da ich schon länger im Land
bin und sie nur zuständig sind, wenn man gerade einreist. Also wieder einige
Kilometer mit dem Fahrrad durch das hügelige El Paso. Nach einigem Warten wird
mein Anliegen beim CIS abgeschmettert. Dafür ist der CBP zuständig, da es ein
Non-Immigrant-Visa ist. Jegliche Diskussion, dass ich da gerade herkomme, die
Bitte dort anzurufen und das Fordern nach einem Supervisor, bleiben erfolglos.
Also zurück zum CBP. Als ich dem Supervisor dort meine um eine Station ergänzte
Geschichte erzähle, läufgt er hochrot an. Aus seinem Gesicht und seinen Worten
kann ich deutlich erkennen, wie schwer es ihm fällt nicht lauthals über die Är****
beim CIS zu fluchen. Doch ich erkenne seine Motiviation und merke, er wird mir
helfen. Das verspricht er mir schließlich auch, aber er könne sich leider nicht
persönlich darum kümmern. Er führt ein längeres Telefonat, schreibt mir einen
Wisch und bittet mich damit zur Grenze zu gehen (ja, das war abgesehen vom
Flughafen meine erste Station in El Paso). An der Grenze werde ich wieder von
einem zum nächsten weitergereicht, bis ich schließlich das gewöhnliche
Einreseprozedere durchlaufe und ein I-94 in meinen Pass getackert bekomme, dass
mir erlaubt bis September (also weiter 6 Monate) zu bleiben. Glücklich halte ich meinen Pass in den Händen
und genieße den Erfolg für eine Weile. Obwohl ich den Ort nicht verlassen habe,
bin ich wohl ähnlich viele Kilometer gefahren, wie an anderen Tagen nur um von
einer Behörde zur nächsten zu kommen. Nach dem Sieg über die Bürokratie fühle ich mich unglaublich wohl und befreit. Das ganze wird mit einem teuren,
deutschen Bier in einer Bar zelebriert, wo ich mich auch mit Noelle treffe, die
mich für den Abend aufnimmt. Sie hat eine Firma die Saft frisch presst und nach
Hause liefert. So lerne ich über sie etliche Leute kennen und beschließe spontan
noch einen Tag in El Paso zu bleiben.